3. Stapelfelder Fototage mit über 200 Besuchern: Highlights hochklassiger Naturfotografie
Cloppenburg-Stapelfeld – „Wie Ketchup an die Wand geworfen” klebt das orangerote Eisenoxyd an den Felsen der Lava-Tunnel. Mit fluoreszierendem Schimmer überziehen Moose ruppige Felsen mit dieser „crazy, crazy green colour”. Lichtkegel erleuchten unterirdische Höhlen wie monumentale Konzerthallen, Dampfwolken wabern über heißen Quellen und mitten im Nirgendwo gründet eine Quelle umringt von tiefschwarzem Aschesand eine neues Flussdelta.
Island ist mehr als von Touristen bewunderte Geysire und Gletscher, das beweist der schwedische Fotograf Hans Strand mit seinen beeindruckenden Fotoserien von der Eis-Insel, die seit 1995 sein zweites Zuhause geworden ist. Eine Auswahl seiner Bilder – aus der Luft, am Boden und aus dem Erdinneren – zeigte der renommierte Hasselblad-Spezialist am vergangenen Wochenende bei den 3. Stapelfelder Fototagen.
Mehr als 200 Naturfoto-Fans trafen sich in der Katholischen Akademie und erlebten die Multi-Media-Shows von ausgewählten Könnern der Naturfotografie. Schöne Bilder im Großformat anschauen, Impressionen von den schönsten Ecken der Welt genießen – allein dafür hätte sich der Besuch hier gelohnt. Doch zudem lieferten die beiden Organisatoren Willi Rolfes und Dr. Martin Feltes noch eine Menge Wissenswertes über Konzepte und Bausteine der Bildgestaltung, die Profis gaben in Workshops praktische Tipps und Kamera-Spezialisten informierten über die neuesten Innovationen. Und halfen in einer Sprechstunde beim Umgang mit der „verflixten Technik”.
Wahrnehmungsrichtung, Linienführung, Goldener Schnitt oder Mut zur Mitte, Harmonien, Kontraste und Symbolik von Farben: In ihren einführenden Vorträgen erklärten Feltes und Rolfes die Grundelemente bildnerischen Gestaltens an Beispielen aus der gemalten Kunst und aus der Fotografie. Manch ein Zuschauer hat sich Anregungen für die eigene Hobbyarbeit mitgenommen. In Formen sehen lernen und gleichzeitig der eigenen Intuition Raum geben: Das gab Rolfes ihnen als Basisrezept mit.
Mit dem Rumpelflieger in die Antarktis
Hans Strand gehört zu der Liga der Fotografen, die diese Kunst beherrschen und an der Kamera ihre eigene Handschrift gefunden haben. Gleiches gilt für die anderen Referenten. Nach dem Island-Ausflug blieb es frostig: Stefan Christmann erzählte in einem mit Musik untermalten Paket aus Einzelaufnahmen, Fotoserien und Videos von seinem Aufenthalt in der Antarktis. Der gelernte Physiker verbrachte mit einer Handvoll anderer Wissenschaftler 15 Monate auf der entlegenen Neumayer-Forschungsstation. Die ganze Tour hat er in Bildern festgehalten. Von der Anreise im russischen Rumpelflieger mit „Flying Dixi” hinten rechts an Bord über die Ankunft im weihnachtlich geschmückten Wohnraum der Station bis zum demonstrativen Probeausflug in den arktischen Wintersturm – mit Seilen an der Haustür gesichert.
Christmann hielt die Eiswelten im Wandel der Tages- und Jahreszeiten in faszinierenden Bildern fest. Einmal hatte er die Videokamera auf dem Lenker seines Eisschlittens montiert und nahm die Zuschauer so mit auf die rasante Fahrt hinunter in die Atka-Bucht, der Heimat tausender Kaiser-Pinguine. Verspielt und fürsorglich, kuschelnd oder flanierend – die Fotos brachten das Publikum ganz nah heran an die liebenswerten Tiere, die dem Fotografen sichtlich ans Herz gewachsen sind. Und so wollte er auch unbedingt die Polarlichter über der Pinguin-Kolonie ablichten. Neun Mal war er vergeblich rausgefahren bis es beim letzten Versuch doch klappte: „Für mich der eindrucksvollste Moment in dieser ganzen Zeit”, sagte Christmann. Für die Zuschauer seiner Präsentation auch.
Die „Light-Variante” der Antarktis zeigte dann Dieter Damschen, der die „stille Zeit” des Winters an der Elbe thematisierte. Mit Sommer und Farbenfülle, Menschenmengen und lautem Trubel hat er's nicht so. Erst „wenn der Kranich zieht”, fängt für ihn die schönste Zeit des Jahres an. Reduziert, klar, aufgeräumt – so gefällt ihm die Natur und seine Fotos gaben ihm recht. Frostiges Weiß bildete die Kulisse für kabbelnde Lerchen, Schwäne im tiefen Flug, Vögel an vergessenen Äpfeln im Baum und Biber in den Auewäldern. Eisgang zeichnete skurrile Strukturen auf die Elbe und und als nach einer hohen Flut das Wasser zurückging, blieben Eisplatten in den kahlen Bäumen hängen wie fragile Designermöbel.
Lieber Flamingos als Saiga-Antilopen
In wärmere Gefilde zog es Klaus Nigge für die beiden Foto-Storys, die er in Stapelfeld vorstellte. Zwei sehr gegensätzliche Projekte und eines stellte der Profi gleich mal klar: „Wenn Sie ein bisschen clever sind, dann fotografieren Sie Flamingos und keine Saigas!” Denn das „kranich-ähnliche Geschnatter in tropischer Farbigkeit” im mexikanischen Yucatan bot ohne großen Aufwand die Gelegenheit für richtig tolle Aufnahmen. Keine große Logistik, auch ohne Tarnung nah ran, leicht zu finden und Tiere ohne Scheu: „Das macht sich fast von selbst.” Wenn auch für jedermann wohl nicht so leicht in der Qualität, die Nigge mit seinen Bestseller-Fotos u.a. für den National Geographic lieferte.
Die Idee, Saiga-Antilopen in der kasachischen Steppe zu portraitieren, erwies sich als ungleich komplizierter. Das Gebiet ist so groß wie die Schweiz und absolut flach. Hatte man tatsächlich in ca. zwei Kilometern Entfernung eine Saiga entdeckt, so war das rund 60 km/h schnelle Tier Sekunden später schon wieder weg. Da halfen weder die Tipps der mittelasiatischen Ranger, die dem Fotografen zum Trost reichlich Wodka aufdrängten, noch das stundenlange Ausharren in Unterhose unter dem 60 Grad heißen Tarnzelt. Nix war's auf der ersten Reise. Nigge wusste, warum die einstmals in Massen umherziehenden Saigas so rar waren: Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geriet die Jagd auf die Tiere außer Kontrolle. Von einstmals über einer Million blieben nach rund 13 Jahren nur noch 30.000. Inzwischen habe sich der Bestand etwas erholt, berichtete Nigge. „Aber wir sind 8000 Kilometer geflogen und haben dabei ganze 40 Herden gesehen.”
An einem Wasserloch gelang es ihm dann doch noch, die Antilopen aus der Nähe zu beobachten. Mit einer ferngesteuerten Kamera, gut versteckt in einem der wenigen Büsche am Ufer, schoss er großartige Bilder von den Saigas. Die im Übrigen keine Schönheiten sind und mit der filigranen und sprunggewaltigen Eleganz ihrer afrikanischen Verwandten wenig gemein haben. Vier Monate Arbeit und Nerverei für gerade mal vier Tage Shooting: Egal, die außergewöhnliche Tier-Story war im Kasten. Nur haben wollte sie dann keiner. Erst später veröffentliche die GEO einige der Fotos. Titel der Geschichte: „Herr Nigge sucht eine Antilope”. Für ihn war's aber trotzdem ein Erfolgserlebnis: „Für die eigene Besessenheit muss man so was manchmal machen...”
Foto-Safari im südlichen Afrika
Das Revier von Stefan Tüngler ist das südliche Afrika. Hier organisiert er Safaris für Hobby-Fotografen und bietet ihnen die Gelegenheit, in den Nationalparks den Tieren des Kontinents ganz nah zu kommen. In der Bildershow mit Musik und Original-Sounds, mit Serien, Zoom- und Slide-Effekten nahm er das Stapelfelder Publikum mit auf eine Reise durch verschiedene Länder und Regionen Afrikas: Elefanten beim Schlammbad, Moschusochsen im donnernden Galopp, Zebras und Giraffen, gähnende Kalahari-Löwen im gelben Blumenfeld, Massenstart von Pelikanen, Geparden-Gesichter aus nächster Nähe. Auch Nachtaufnahmen waren dabei, wie Schattenrisse oder die Kontur eines Löwen als roter Lichtsaum im letzten Abendlicht.
Für nächtliche Aufnahmen von Raubkatzen werden Geparden und andere Tiere aus wenigen Metern Entfernung angeleuchtet, erklärte Tüngler interessierten Zuhörern in einem anschließenden Gespräch. Auch Touristen können an solchen Touren teilnehmen. Gefährlich sei das nicht, so der Profi. Die Tiere zeigten weder Fluchtreaktionen noch Angriffsverhalten. Sie sind die häufigen Besuche und die Nähe von Menschen offenkundig gewohnt. Nur wenn man mit dem offenen Jeep direkt unter einen Baum fahre, auf dem oben eine Katze sitze, sollte man unten im Wagen „lieber kein Theater machen”.
Natur pur im Serrahn und im Wattenmeer
Um gänzlich undressierte Wildnis zu finden, braucht man gar nicht so weit zu reisen. Biologe Dr. Peter Wernicke zeigte den Foto-Fans die urwüchsige Schönheit der über 200 Jahre alten Buchenwälder im Serrahn, dem östlichen Teil des Müritz-Nationalparks. Mächtige Baumriesen und zarte Schösslinge, umgeben von einer großen Farbenvielfalt quer durch alle Jahreszeiten: Vom zarten oder satten Grün junger Triebe, hoher Baumkronen und moosbewachsener Wurzeln über goldene Laubfarben, rotgesäumten Sonnentau und cremeweiße Pilze bis zu blau-balzenden Moorfröschen und erdigen Brauntönen alter Stämme und Totholz. Eine vielfältige Tierwelt ist hier zu Hause.
Wernicke will auf die Schönheit und Besonderheit dieser Wälder im Serrahn hinweisen und wirbt darum, sie zu schützen. Das gleiche Anliegen verfolgt Dr. Martin Stock, der sich bei einem Zivildiensteinsatz auf der Hallig Langeneß 1984 in das Niedersächsische Wattenmeer verliebt hat und noch heute als Biologe dort tätig ist. Er kombinierte faszinierende Fotos mit Musik und sehr persönlichen Gedanken. Malerische Strukturen im Watt, modelliert von Gezeiten, Strömungen und Wind, wandernde Dünen, dazu Möwen in riesigen Schwärmen oder in einzelnen Flugmanövern, Robben auf Sandbänken, Strandhafer, Disteln und Heide, Muscheln, Vogel-Portraits und Wolkenformationen am Himmel über dem Meer – in verschiedensten Motiven fing Stock Licht und Leben an der Nordseeküste ein. Und auch er forderte Zurückhaltung bei Eingriffen in die vergängliche Schönheit des Wattenmeeres: „Natur braucht Freiräume.”
„Small Surprising” von Misja Smits
Während ihre Kollegen gern auch mal mit großen Panoramen und Luftbildern arbeiten, zieht es Misja Smits in die kleinen Nischen der Natur – die nicht weniger spektakulär sein müssen. „Small Surprising” nennt die Niederländerin ihr aktuelles Programm, das sie in Stapelfeld in einem Vortrag vorstellte und das auch in der begleitenden Foto-Ausstellung in der Akademie zu sehen ist. „Fairytale Forest”, „Tender” und „Magic” sind einige ihrer Arbeiten überschrieben. Und tatsächlich entführen ihre Bilder den Betrachter in eine zärtlich-magische Märchenwelt. Misja Smits entdeckt das Unscheinbare und Bescheidene im Kleinen und macht daraus im gekonnten Spiel mit Schärfe und Unschärfe, Perspektiven, weichem Licht und sanften Farben verblüffende Kunstwerke mit einem sehr eigenen Charme. So werden Tautropfen auf einem Spinnennetz zu einer kapriziösen Perlenkette, eine Libelle schaut aus einer Margeritenblüte wie ein just gelandeter Außerirdischer, ein flotter Käfer auf einem Pilz ist „ready for take-off” – à la Top-Gun bereit zum Abflug in die Abendsonne. Absolut sehenswert! Für Misja Smits, die Willi Rolfes per Zufall bei Facebook entdeckt hat, ist dies ihre erste eigene Ausstellung. Zu sehen sind ihre Fotos noch bis zum 30. April im Foyer und in den Fluren der Akademie in Stapelfeld. Der Eintritt ist frei.
Fototage 2015
Von Island und der Antarktis über Afrika und Asien bis zu den Naturparadiesen vor der Haustür: Das Programm der Fototage spannte einen weiten Bogen und machte Lust auf mehr: Für die 4. Stapelfelder Fototage vom 13. bis 15. Februar 2015 haben sich zahlreiche Teilnehmer schon gleich wieder angemeldet.
Gaby Westerkamp
Pressestimmen
- Auf der Suche nach dem besonderen Bild – NOZ (17.02.2014)
- Im Kleinen die große Überraschung sehen – MT (17.02.2014)
Impressionen
Foto: Willi Rolfes