„Die Resonanz war überwältigend“, sagt Willi Rolfes, Geschäftsführer der Katholischen Akademie, über die 3. Stapelfelder Fototage am vergangenen Wochenende. Gemeinsam mit dem Stapelfelder Dozent Dr. Martin Feltes hat er die Fototage, die unter dem Leitthema „Inspiration Natur" standen, organisiert. 212 Teilnehmer haben in diesem Jahr teilgenommen. „Und wir haben schon wieder Anfragen für das kommende Jahr", sagt Willi Rolfes.
Der Eröffnungsabend am Freitag stand im Zeichen der Fotokunst. Die niederländische Fotografin Misja Smits zeigte unter dem Titel „Small Surprising" 41 Fotografien im Foyer und auf den Fluren der Katholischen Akademie. Es ist ihre erste Ausstellung – was verwundert, denn die Fotografien berühren und ziehen den Betrachter in ihren Bann.
Es ist das Spiel aus Schärfe und Unschärfe, das ihnen einen gewissen Zauber und einen märchenhaften Schleier verleiht. Die Bildtitel tun ihr übriges. Sie regen an und lassen schmunzeln. „Die Bildtitel appellieren an die Phantasie des Betrachters", sagt Willi Rolfes. Ein Beispiel sei die Fotografie „On the top of the world". Drei kleine Pilze stehen auf einen kleinen Grashügel, im Hintergrund erstreckt sich in impressionistischer Anmutung ein helles, grünes Blätterwerk. Es ist ein faszinierendes Foto. „Durch die streng symmetrische Form, durch das Motiv der Dreiheit und auch durch die bewusste Monochromie atmet diese Fotografie eine Atmosphäre des Zeitlosen und Magischen", sagt Willi Rolfes.
Das Besondere an den Fotografien von Misja Smits ist, dass sie das Kleine und Unscheinbare in den Mittelpunkt rückt. Misja Smits versteht es in ihren Fotografien aber auch, architektonische Strukturen und Symmetrien aufzuspüren.
In einem Vortrag am Folgetag verdeutlichte die Niederländerin an fünf Bildern, wie sie arbeitet und hat daran anschaulich Einblicke in die Entstehungsweise ihrer Fotografien gegeben. Die Herstellung der Ausstellung wurde durch das Engagement von Europas größtem Fotodienstleister CEWE aus Oldenburg möglich.
Bereits zuvor spürte Kunsthistoriker Dr. Martin Feltes der Fotokunst in seinem Vortrag „Von der Kunst, ins Bild zu setzen – Form, Farbe, Komposition" nach. Er spannte zunächst einen Bogen von der informellen Kunst Cy Twomblys, die an Kinderkritzeleien erinnert, zu Piet Mondrians Kompostionen. „Bildidee, Motiv und Gestaltungselement bilden ein Dreieck", sagt er. Denn Form, Farbe und Komposition bringen Bilder zum Sprechen und sind nicht nur gestalterische Mittel, sondern unterstreichen die inhaltliche Bildaussage.
Ein Gestaltungsmittel, dass nicht nur in der Malerei Anwendung findet, sondern auch in der Fotografie, ist etwa die Diagonale, die Bewegung und Spannung in ein Bild bringe. „Eine aufsteigende Diagonale vermittelt Freude, eine absteigende Trauer", sagt Martin Feltes. Und natürlich kam der Kunsthistoriker auch auf den berühmten goldenen Schnitt zu sprechen. „Das ist ein Proportionsverhältnis, das von uns als schön und harmonisch empfunden wird", sagt er. Das Interessante sei, dass der goldenen Schnitt nicht nur ein künstlerisches Gestaltungsprinzip sei, sondern auch in Wachstumsmustern der Natur zu finden. „Aber man muss nicht Mathematik studiert haben, um gut fotografieren zu können", sagt er. Zu viel Theorie berge die Gefahr von Formalismus und führe zum Verlust von Individualität. „Deshalb gehört ein bewusstes Abweichen und Brüche zum Repertoire eines Fotografen", sagt Martin Feltes.
Impulse aus diesem kunsthistorischen Ansatz hat Willi Rolfes im ersten Block der Stapelfelder Fototage für seinen Vortrag „Sichtweisen – Annäherung an die Bildgestaltung" übernommen. Er verdeutlichte, welches Handwerkzeug aus der Bildgestaltung für den Naturfotografen alltagstauglich ist. Er zeigte etwa die Wirkung von Linienführung und machte darauf aufmerksam, Formen in der Natur zu erkennen und sie dann in Beziehung zueinander zu setzen.
Der schwedische Landschaftsfotograf Hans Strand hat Island aus drei Perspektiven fotografiert: aus der Luft, vom Boden und aus dem Inneren der Erde. Seit fast 20 Jahren besucht er jedes Jahr die Insel im Atlantik und fotografiert dort die Vulkanlandschaft, Lava- und Eishöhlen.
Der zweite Block der Fototage widmete sich dem Thema „Mein Projekt". Dort gewährte Physiker Stefan Christmann Einblicke in das Leben im polaren Winter. Für das Alfred Wegner Institut hat er 15 Monate in der Neumayer Station in der Antarktis verbracht. Normalerweise forschen die Mitarbeiter im polaren Sommer, aber auch in den harten Wintern mit eisigen Orkanen, wochenlanger Dunkelheit und und bei Temperaturen jenseits von minus 40 Grad müssen neun Mitarbeiter dort ausharren, um die Station zu betreuen. Christmann war einer von ihnen und hat den Teilnehmern einen interessanten Einblick in sein Projekt geboten. Für die harten, winterlichen Bedingungen wurde der Physiker und Fotograf etwa mit herrlichen Nordlichtern und einer Kolonie von Kaiser-Pinguinen, die in der Nähe der Station lebte, belohnt.
Dem Sommer und den Farben hat Dieter Damschen mit seinem Projekt „Stille Zeit" entsagt. Er hat den Winter an der Elbe mit minimalistischen Bildkompositionen und in Schwarz-Weiß eingefangen. Die Bilder faszinieren durch die monochrome, sehr reduzierte Arbeitsweise des Fotografen.
Der Biologe, Fotograf und langjährige Präsident der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen, Klaus Nigge, hat mit „Story Obsession" zwei Projekte vorgestellt, die kaum unterschiedlicher hätten laufen können. In Mexiko fotografierte er Flamingos. Die Tiere sind zutraulich und er kann den ganzen Tag wunderschöne Fotografien machen, alles läuft nach Plan und seine Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Für die Bilder erhält er sogar eine renommierte Auszeichnung.
Das andere Projekt, Saiga Antilopen in Kasachstan, zieht sich über Monate hin. Auf einer Fläche, die so groß ist, wie die Schweiz, bekommt er trotz massiven Aufwands in vier Monaten nur vier Mal die Saiga Antilopen vors Objektiv. Am Ende werden seine Fotos noch nicht einmal gedruckt. Erst in einem personalisierten Artikel in „Geo" kann er seine Geschichte erzählen. Er verdeutlicht die zwei Pole der Tierfotografie.
Im dritten Block Fotoziele zeigt der Tierfotograf Stefan Tüngler seine afrikanischen Fotos aus unzähligen Nationalparks und besonderen Regionen. Er war in 17 Jahren immer nah an den Tieren. Sein Spektrum reicht von Großaufnahmen der Tiere bis hin zu impressionistisch gestalteten Bildern.
Der Biologe und Fotograf Dr. Peter Wernicke hat sich mit dem Buchenwald um Serrahn beschäftigt, den die Unesco 2011 in das Weltnaturerbe aufgenommen hat. Er zeigt die Vielfalt von mächtigen Baumriesen und kleinen, zarten Buchen und vermittelte so einen Eindruck vom Aussehen längst vergangenen Urwälder.
Ein beeindruckendes Plädoyer für das Wattenmeer hat der Biologe Dr. Martin Stock mit seinen Bildern und seinen Geschichten vermittelt. Schon während seines Biologiestudiums hat er ein Jahr auf der Hallig Langeness verbracht. Sehr poetisch zeigte er Fotografien von beeindruckenden Lichtstimmungen im Watt sowie von Tieren und Pflanzen über und unter Wasser. Sein Plädoyer für das Wattenmeer lautet: „Natur Natur sein lassen" und: Naturschutz und Naturfotografie müssen Hand in Hand gehen.